05.08.2023 (später Abend)

Ihr Lieben

Lange habe ich nichts mehr von mir lesen lassen – und doch ist in der Zwischenzeit wieder so unglaublich viel geschehen!

R. und ich konnten nach einer neuerlichen Krise mit etwa 6wöchigem Kontaktunterbruch im Frühjahr unsere Beziehung Dank der Hilfe von Frau Schw. weiter festigen. Mit Frau N. habe ich seit einem knappen Monat nun sogar eine sozialpädagogische Familienhilfe an der Seite, die mich einerseits durch die üblichen Stürme von R.s Pubertät begleiten wird, andererseits aber auch dabei helfen soll, künftige Kontaktunterbrüche zwischen mir und R. zu vermeiden. Zu einem späteren Zeitpunkt werden Frau N. und ihr Kollege auch den Vater mit einbeziehen, wenn es Beispielsweise um Absprachen betreffend Umgang und Besuch geht.

Ich selbst konnte mich Dank meinen bewährten podcasts, von denen ich euch die wichtigsten ja bereits vorgestellt habe und deren Bandbreite sich nebst einigen True Crime- und Geschichts-Podcasts auch um Kira Liebmanns „Familienglück und Pubertät“ erweitert hat, in meiner Persönlichkeit weiter festigen. So Einiges, was da zwischen R., seinem Vater und mir geschehen ist, kann ich Heute aus einem erweiterten Blickwinkel betrachten. Das, was damals geschehen ist, ist zwar nicht oft Thema zwischen R. und mir, doch wenn er nachfragt, möchte ich ihm transparent antworten können. Zu wissen, wo meine eigenen blinden Flecken waren ist dabei ebenso wichtig wie benennen zu können, wo der Vater htte anders handeln sollen.

Ehrlich gesagt beschränke ich mich in diesen Gesprächen aber meist auf meinen Part. Ich habe keine Lust, mir mit Spekulationen darüber, weshalb der Vater dieses oder jenes getan hat, den Kopf zu zerbrechen. Wichtig ist mir, R. aufzeigen zu können, dass ich zwar Fehler gemacht habe, ihm aber niemals willentlich oder gar wissentlich schaden wollte.

Dass ich Dank Steffi Stahl nun auch die Dynamiken in meiner Herkunftsfamilie zu durchschauen vermag, hat nicht nur zu einer wesentlich konstruktiveren Kommunikation zwischen R. und mir, sondern auch zu einer viel besseren Beziehung zwischen meiner Mutter und mir geführt. Zu verstehen, welchen Rucksack voll mit ureigenen Prägungen jeder und jede Einzelne von uns mit durchs Leben trägt, lässt Einen nicht nur grosszügiger gegenüber sich selbst, sondern auch gegen die Mitmenschen werden.

Mit mir selbst gehe ich wesentlich achtsamer um als noch vor vier Jahren. Mit meinem inneren Kind habe ich zwischenzeitig einen fast liebevollen Kontakt aufbauen können, was sich in mehr Geduld und Verständnis auch für R. äussert. Mittlerweile achte ich auch auf die Signale meines Körpers und brauche dessen Grenzen nicht mehr dauernd zu überschreiten. Gleichzeitig merke ich auch früher, wenn jemand meine eigenen persönlichen Grenzen zu überschreiten droht. Ich schaffe es jetzt sogar oft, diese abzustecken, ohne dafür gleich einen Schutzwall à la Limes hochziehen oder sogar das schwere Geschütz auffahren zu müssen. Weil ich nun Kriegs- von Nebenkriegsschauplätzen zu unterscheiden in der Lage bin, kann ich meine Ressourcen bei Bedarf geordnet und strategisch klug ins Feld führen.

Ja, der Verlust von R. hat mich gezwungen, wirklich jeden Stein in meinem Leben umzudrehen und herauszufinden, was sich darunter verborgen hielt! Würde ich jetzt aber sagen, der ganze Horror sei es wert gewesen, dann würde ich lügen. Die drei Jahre ohne R. haben mich gezeichnet: Ich bin deutlich weniger stressresistent als früher. Ich brauche viel mehr Zeiten mit mir allein, um wieder zur Ruhe zu kommen und nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Gewisse Bemerkungen und Situationen triggern mich noch immer. Und drei Jahre, in denen ich R. hätte aufwachsen sehen können, sind unwiederbringlich verloren.

Aber ich mag nicht zurückblicken. Vergangenem hinterher zu weinen war glaube ich noch nie meine Art. Die Dankbarkeit, mit R. die zweite Chance bekommen zu haben, um die ich Gott so viele Male angefleht habe, überwiegt. Ich will im Hier und Jetzt leben, möchte R. da wahrnehmen und erleben, wo er jetzt gerade steht. Denn R. braucht mich – das lässt er mich deutlich spüren -, und er braucht mich jetzt.

Denn jetzt ist R. in der Pubertät. Das ist eine Zeit voller Veränderungen und Unsicherheiten. Zwar mag man die Mama nicht mehr wie eine Glucke um sich haben, vor allem dann nicht, wenn die Kollegen kommen. Da ist zu viel Mama sogar fast etwas peinlich…

Aber wenn R. mich bittet, ihn mit Oak bis zum Schulhaus zu begleiten, wo er sich mit seinen Freunden verabredet hat, dann bin ich unendlich dankbar. Auch wenn ich ein klein wenig ausser Sichtweite der Kollegen wieder umdrehe, wird mich das soeben geführte Gespräch auf meinem Rückweg begleiten. Das Gespräch – und die Dankbarkeit dafür, genau jetzt und in dieser Zeit R.s Fels in der Brandung sein zu dürfen, zu dem er aus den pubertären Stürmen wie in einen sicheren Hafen ab und zu noch immer gern zurückkehrt.

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