Ihr Lieben
Jetzt hats mich doch noch erwischt. Nachdem ich die letzten beiden Jahre coronafrei durchgekommen bin, hat seit Donnerstag eine fiese Erkältung mit Kopfschmerzen und Schnupfnase zugeschlagen. Hinzu kommt eine regelrechte Matschbirne und ein aussergewöhnlich starkes Bedürfnis nach Schlaf.
Nachdem ich am Donnerstag und Freitag zwar etwas verlangsamt war, aber dabei die wichtigsten Aufgaben für Give a Hand.ch doch noch erledigen konnte, musste ich mich der Grippe gestern ergeben. Dabei hatte ich am Vormittag einen schön abgerundeten, ja sogar echt witzigen Blog-Beitrag für euch geschrieben, ihr Lieben, aber dann hat sich mein Screenreaderprogramm plöttzlich verabschiedet. Das heisst: Im Blindflug durch die diversen offenen Windows-Fenster. Auf Dauer kann das nicht gutgehen, und dann hilft gewöhnlich nur noch ein Reboot,
Weil ich aber den Blog-Beitrag zwecks Einfügen auf der Website in meinem Tran nicht wie üblich kopiert, sondern ausgeschnitten hatte, war die ganze Geschichte nach dem Neustart dann unwiderruflich weg. Die Word-Datei enthielt nichts weiter als die Überschrift.
Ach ihr Lieben! Ich hätte losheulen können. Stattdessen rauchte ich die letzten drei Zigaretten aus unserem Vorrat auf, stellte mich unter die Dusche und begab mich dann ins Bett. Dort blieb ich dann auch mehr oder weniger den ganzen Tag liegen, und tatsächlich fühle ich mich Heute viel besser. Die Schnupfnase ist zwar noch da, aber die verwirrte Matschbirne der vergangenen drei Tage ist Geschichte.
Gott sei dank auch, ihr Lieben! Mit so einer Scheibe hätte ich nicht ans Treffen mit R. vom nächsten Dienstag gehen mögen. Diese Zustände scheinen mich nämlich über ein normales Masss hinaus zu triggern, indem sie mich wohl automatisch an mein Befinden an den Tagen nach den Narkosen aus meiner Kindheit erinnern.
Ganz unbewusst fange ich dann jeweils an, gegen den drohenden Kontrollverlust anzukämpfen, und erst wenn ich merke, dass tatsächlich nichts mehr geht, lege ich mich ins Bett. Dort harre ich dann aus, versuche mich mit Hörbüchern abzulenken und irgendwie der Selbstabwertungsspirale, die mit demselben Automatismus anfährt und ihre unwiderstehliche Sogwirkung entfaltet, zu entgehen. Früher war ich am Ende eines solchen Tages oft dermassen am Ende, dass ich nicht selten über ganz destruktive Dinge nachdachte. Diese auszuführen war ich aber dann glücklicherweise immer schon zu depressiv.
Heute weiss ich, dass auch solche Tage vorübergehen. Ich würde übertreiben, wenn ich vorgäbe, ich könnte das erzwungene Nichtstun geniessen, denn noch immer sind Tage wie diese von einer Rast- und Ruhelosigkeit geprägt, die mich von einem Ort in der Wohnung zum Nächsten treiben, ohne dass ich mich wirklich auf die Hörbücher, die mir noch immer zur Ablenkung dienen, konzentrieren könnte. Aber ich weiss Heute, dass das Leben weitergeht, auch wenn gerade alles trost- und sinnlos erscheint, auch wenn ich den Eindruck habe, alles, aber auch wirklich alles falsch zu machen und – und das ist das alles überwiegende Gefühl an solchen Tagen – vollkommen allein auf dieser Welt zu sein.
Heute weiss ich: Kommt Ruhe, kommt Rat. Und wie auch Heute sieht alles nach einer ausreichenden Portion Schlaf wieder völlig anders aus. Dann weiss ich: Ja, ich werde es irgendwie hinkriegen, bis Morgen den Jahresbericht für Give a Hand.ch fertiggeschrieben zu haben. Nein, das Treffen am Dienstag mit R. wird nicht krachend scheitern, und ich werde dabei auch nicht all meine Emotionen abtöten müssen. Und doch, da gibt es Menschen um mich herum, die mittragen und mitfühlen.
Kurz: Wann immer mich eine körperliche Angeschlagenheit vermeintlich aus dieser Welt zu katapultieren droht, dann weiss ich Heute aus Erfahrung, dass ich auch wieder allein zurückzufinden imstande bin. vorausgesetzt natürlich, ich höre auf, gegen meinen Körper zu kämpfen und gebe ihm das, was er in derlei Situationen unübersehbar braucht; genügend Ruhe und Schlaf.