18.04.2022 (Mittag)

Ihr Lieben

Selbstverständlich hoffe ich, dass auch ihr Ostern im Kreise eurer Lieben verlebt habt. Wie ihr euch vielleicht noch aus meinem Blog-Beitrag vom letzten Jar entsinnen könnt, war Ostern für mich stets das Highlight im Feiertagskalender.

So habe ich es mir denn auch nicht nehmen lassen, dieses Jahr wieder den Osterhasen für R.s beide Cousins zu spielen. Genauer gesagt war es ein Jobsharing mit meinem eritreischen Bruder Y., der natürlich auch am Familienfest teilnahm. Während ich für den Inhalt der Nester verantwortung zeichnete, übernahm er das Verstecken im Garten. Er erledigte seinen Part so gut, dass die Jungs, die natürlich nicht mehr wirklich an das Märchen glauben, zwecks Auffinden des zweiten Nests sogar einen klitzekleinen Hinweis benötigten. Unübersehbar hatten sie aber trotz der Entzauberung des Osterhasen noch immer Spass am Suchen – und natürlich auch am Finden.

Wie glücklich ich bin, R. sein Osternest dieses Jahr persönlich übergeben zu dürfen, könnt ihr euch sicher vorstellen! Im letzten Jahr haben diese Aufgabe ja meine Freundin H. und deren Mann M. übernommen.

M. wird mich Morgen übrigens auch zum Treffen begleiten. Frau Schw., die als Beiständin dem Wiedersehen ebenfalls beiwohnen wird, soll sich so voll auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Sie soll unsere Interaktionen beobachten und das Gespräch gegebenenfalls auch etwas moderieren können. Dabei soll sie nicht eine unangebrachte Doppelrolle übernehmen müssen, indem sie mich Beispielsweise in mir unbekannten Umgebungen herumführen muss. Auch für den Fall, dass das Treffen wider aller Erwartungen schief gehen und es zu einem Abbruch kommen sollte, muss sie sich zunächst voll und ganz auf R. konzentrieren können. Dafür, dass ich dann sicher wieder auf den nächsten Zug komme, trage ich als Mutter die volle Verantwortung, nicht sie – und vor allem nicht R.

Zunächst haben mein Paps und Frau Schw. nicht ganz verstehen können, weshalb ich so vehement auf einer Begleitung durch M. beharrte. Erst, als ich ihnen meine Überlegungen genauso darlegte, erkannten auch sie, weshalb mir das so wichtig ist.

Offen gestanden hätte M. in anderen Konstellationen durchaus auch die Aufgabe von mir übertragen bekommen, als Zeuge und allenfalls Übersetzer für nonverbale Kommunikation zu dienen. Nach dem Debakel bei Gutachter Huggler vertraue ich durchaus nicht mehr blind in die Wahrnehmung von Leuten, die sich „Fachpersonen“ nennen. Im Dezember 2021 ist ein bereits geplantes Treffen, das von einer solchen „Fachperson“ hätte begleitet werden sollen, deswegen auch kurzfristig geplatzt. Bei Frau Schw. aber fällt dieser Aspekt der Kontrolle für mich definitiv weg. In den vergangenen acht Monaten habe ich sie so gut kennenlernen dürfen, dass ich ihr tatsächlich vertrauen kann. Für mich ist das wie ein kleines Wunder!

Bereits ihre allererste Mail im August 2021 liess mich erahnen, dass ich es in der Causa R. fortan wohl mit einer Fachperson zu tun haben könnte, die – verglichen mit all den vorigen „ExpertInnen“ -, tatsächlich in einer völlig anderen Liga spielt. Sie schrieb mir nämlich am 10. August Folgendes:

„Guten Morgen Frau Müller

Soeben habe ich die Telefonnotiz von Frau S. gelesen.

Bitte entschuldigen Sie vielmals, dass ich mich so lange nicht bei Ihnen gemeldet habe. Das ist nicht okay!

Kann ich Sie heute ab 10h telefonisch erreichen?“

Wie bitte? Hatte ich richtig gelesen? Da entschuldigte sich jemand bei mir, obgleich sie noch gar nichts verbrochen, mich lediglich etwas hatte auf eine Antwort warten lassen!

Und dann rief mich diese Frau Schw. auch tatsächlich wie versprochen um 10 Uhr an und hörte mir über eine Stunde lang zu! Sie interessierte sich wirklich dafür, wie ich die vergangenen zwei Jahre erlebt hatte!

Noch jetzt kommen mir beim Schreiben dieser Zeilen beinahe die Tränen. Und es kommt noch besser, ihr Lieben: Frau Schw. war doch tatsächlich dem Link, den ich ihr im Juli 2021 geschickt hatte, gefolgt und hatte Teile des Blogs gelesen! Sie fände, so sagte sie, die Gedanken, die ich dort hinterlassen hätte, äusserst hilfreich für unsere künftige Zusammenarbeit!

Ja, ihr Lieben! So begann unsere nunmehr acht Monate währende Zusammenarbeit, deren Resultat nicht bloss unser erstes, morgiges Treffen sein wird, sondern auch der seit Februar 2022 wiederhergestellte Kontakt zwischen R. und seinen Grosseltern und R. und den beiden Cousins.

Frau Schw. hat es also geschafft, den Scherbenhaufen, den hochdotierte „Fachpersonen“ zwischen Februar 2019 und Juli 2021 angerichtet hatten, innert acht Monaten so weit aufzuräumen, dass ein völlig von der gesamten Familie mütterlicherseits entfremdetes Kind nun wieder von sich aus Kontakt mit dieser aufzunehmen bereit ist!

Doch selbstverständlich könnt ihr euch vorstellen, ihr Lieben, dass Frau Schw. es auf diesem Weg mit mir nicht immer leicht hatte. Dazu war ich viel zu traumatisiert. Dadurch, dass sie mir aber immer offen, respektvoll und auf Augenhöhe begegnet ist hat sie es geschafft mein Vertrauen sukzessive zu gewinnen.

Ihr Lieben! Ich werde euch in den folgenden Tagen den Weg nachzuzeichnen versuchen, welchen ich gemeinsam mit Frau Schw. und meinem Paps in den vergangenen acht Monaten gehen durfte. Es ist ein Weg voller Selbsterkenntnis, an dessen Ende ich nicht nur ein gewaltiges Stück erwachsener geworden bin, sondern auch in meinem Vertrauen auf Hilfe von ganz oben bestätigt wurde. Heute sage ich sogar: Das Ganze Drama hatte seinen Sinn, und es wird mich – sofern das ,morgige Treffen tatsächlich den Beginn eines neuerlichen Kontakts zu R. markieren sollte -, hoffentlich zu einem besseren Menschen und vor allen Dingen zu einer besseren Mutter machen.

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