08.07.2021 (mein Input zur Input-Sendung zum Thema „Eltern-Kind-Entfremdung)

Ihr Lieben!

Und hier findet Ihr meine ganz persönliche Antwort an Reena zu ihrer Sendung, zu finden unter

https://www.srf.ch/radio-srf-1/highlights/eltern-kind-entfremdung-nicht-zu-mama-wenn-sich-kinder-von-einem-elternteil-entfremden

„Liebe Reena

Jetzt endlich komme ich dazu, dir zu deiner Sendung Feedback zu geben. Gestern war ich den ganzen Tag über mit Terminen im Migrationsdienst zugeplant, (…), sodass ich am Abend dann dringend einen ausgedehnten Spaziergang mit Oak brauchte. Die Sendung habe ich aber selbstverständlich gehört, und ich finde, du hast da sehr gute Arbeit geleistet. Die Brisanz des Themas und das Dilemma, das mit Entfremdungen für alle Beteiligten verbunden ist, hast du exzellent herausgearbeitet.

Auch die Voten der Fachleute, die du beigezogen hast, sind extrem berührend; insbesondere Oberrichter Rölli von der

www.kescha.ch

ist natürlich unglaublich stark in seinen Aussagen, zumal Juristen ja nicht gerade dafür bekannt sind, sehr empathisch rüberzukommen. Es ist genau so, wie ich ihn auch bei meinen beiden Telefonaten in der Hightime meiner eigenen Krise erlebt habe: Er holt einen genau da ab, wo man gerade steht, und deshalb kann man als Betroffener oder Betroffene dann auch Wahrheiten annehmen, die auf den ersten Blick sehr schmerzhaft sind. Man fühlt sich in seiner Verzweiflung wahrgenommen und wertgeschätzt, und Herr Rölli unterlässt es auch nie, einem gegen Ende des Gesprächs Mut in Form von Lösungen mit auf den weg zu geben. Er ist damit indirekt auch Initiator meines Blogs

, der grossen Anteil an meinem persönlichen Heilungsprozess hat.

Sehr gut kommt auch die Hilflosigkeit der Fachleute, aber auch der Gesellschaft angesichts der zunehmend brisanten Thematik rüber. Ganz eindrücklich – und da setzt mein allereinzigster Kritikpunkt an -, kommt diese Hilflosigkeit in einem Statement von Liselotte Staub gleich zu Beginn der Sendung rüber: Sie betreibt darin etwas, was man als Täter-Opfer-Umkehr bezeichnen muss und was ich während der Entfremdungszeit sowohl von der Beiständin wie auch von einem Kantonspolizisten und zuletzt noch von der aktuellen Klassenlehrerin von R. erfahren habe. „Sie haben ihn aber doch geheiratet“, kriegt man zu hören, wenn man sich in seiner Verzweiflung und Ohnmacht an diese Leute wendet.

Ich bin mir sicher, dass Betreiber*innen von Frauenhäusern oder Opferanwält*innen dir zig Beispiele für solche Täter-Opfer-Umkehr-Situationen zitieren könnten, entstanden aus einer schieren Hilflosigkeit der Behördenmitglieder angesichts der herrschenden Gesetzeslage, gepaart mit der Komplexität der Thematik von häuslicher Gewalt; dazu muss man, denkt man induzierte Eltern-Kind-Entfremdung als Form von psychischer Gewalt einmal konsequent zu Ende, im Endeffekt ja sprechen.

Für uns Betroffene sind solche Sätze allerdings absolute Killer, sind wir doch selbst in unserem Selbstwert derart angekratzt und in unseren eigenen Schuldgefühlen schon bis zum Hals hinauf verstrickt. Wir fragen uns ja quasi tagtäglich und bis zur Selbstzerfleischung, was wir falsch gemacht haben und womit wir das, was uns hier geschieht, verdient haben. Wenn dann Fachleute daherkommen und uns quasi auch noch die Schuld für unser Unglück zuschreiben in Form von „du hast ihn doch schliesslich geheiratet“, dann ist unser Rückzug vorprogrammiert. Ja, Gopfertami!, wir haben diesen Partner geheiratet, aber damit haben wir nicht auch automatisch unser Einverständnis zur Gewalt gegeben, die er aktuell auf uns und unser Kind ausübt!

Natürlich gehören zu einer induzierten Eltern-Kind-Entfremdung immer beide Elternteile, denn erst die Trennung stürzt das Kind ja in den Loyalitätskonflikt. Ich denke aber schon, dass es berechtigt ist, wenn man den entfremdenden Elternteil als primären Aggressor (meinetwegen bewusst oder unbewusst) klassifiziert. Er instrumentalisiert das Kind für seine Zwecke und übt damit nicht nur massiv emotionale Gewalt gegen den anderen Elternteil aus, sondern auch gegen das betroffene Kind. Wenn Frau Staub ihr Victim-Blaming meinetwegen in einer psychotherapeutischen Situation zwecks Spiegelung vorbringt, um dem entfremdeten Elternteil seine eigenen Anteile am Geschehenen bewusster zu machen, dann ist dies eine Sache; etwas Anderes ist es aber, wenn sie dies in einem öffentlichen Statement tut.

Ich wäre froh, wenn sie diese eine Aussage nochmals überdenken könnte, mit dem Rest kann ich mich durchaus identifizieren.

Nun habe ich fast eine ganze Seite mit Kritik gefüllt, während die Sendung zu 99% super gewesen ist. Bitte behalte die 99% im Hinterkopf, aber es war mir trotzdem wichtig, diesen Punkt noch angesprochen zu haben.

Ich bin mega gespannt auf das Feedback. Vielleicht, wenn du Zeit hast, können wir uns so nach einem Monat oder mal in Basel treffen und du kannst mir erzählen, was bei euch reingekommen ist. Ich verspreche dir im Gegenzug, dir bei diesem Treffen das Fotoalbum zu zeigen. Wäre das ein Vorschlag? Auch sonst würde ich mich einfach mega freuen, dich als Menschen mal wiederzusehen. Ich denke gerne an unsere Projekte bei Radio X zurück.

Danke, dass du den Mut gehabt hast, das heikle Thema aufzunehmen. Du hast damit ganz vielen Betroffenen eine Stimme gegeben, das zeigen ja schon allein die Zahlen von 2019, die du zitiert hast.

Machs ganz gut und geniess den Sommer!

Liebe Grüsse

B. 😉

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