Donnerstag, den 20.05.2021
F: Du beschäftigst dich nicht nur mit deiner eigenen Geschichte, sondern bist tief in das Thema Eltern-Kind-Entfremdung eingetaucht. Aus dem, was du generell darüber weisst und was deine persönliche Situation betrifft, was denkst du, wie wird das Ganze ausgehen?
A: Ganz ehrlich? Wenn es sich bei R.s neuer Beiständin nicht um eine noch vollkommen unverbrauchte und couragierte Fachperson handelt, die überdies noch Willens und von ihrer Aktenlast her in der Lage ist, überdurchschnittlich viel Zeit in diesen Fall zu investieren, dann werden wir R. allenfalls wiedersehen, wenn er sich vom Vater emanzipiert hat.
Der Vater hat sich durch seine Lügengeschichten der neuen Ehefrau und R. gegenüber selbst in eine Situation hineinmanöveriert, aus der er ohne einen massiven Gesichtsverlust nicht mehr herauskommt. Jeder Kontakt, den er zwischen R. und unserer Familie zulassen würde birgt für ihn die Gefahr, dass sein Sohn anfangen könnte, Fragen zum Geschehenen zu stellen. Unweigerlich würde dann irgendwann herauskommmen, dass er – völlig unnötigerweise übrigens – R. dazu angestiftet hat, die neue Ehefrau zu verheimlichen. R. könnte ja auch merken, dass wir nicht die Monster sind, zu denen wir in seiner Psyche mittlerweile mutiert sein müssen, sonst hätte mein Sohn ja nicht bei jedem Zusammentreffen solche Ängste.
Kurz und gut: Der Vater riskiert, mit einer Beilegung des Konflikts von seinem Sohn und seiner Ehefrau als das entlarvt zu werden, was er im Grunde ist. Das wird er unter allen Umständen verhindern wollen. Praktischerweise bin ich bei den sog. „Fachpersonen“ mittlerweile gründlich gelabelt, weswegen der neuen Beiständin wohl niemand einen Strick draus drehen wird, wenn sie die Sache die nächsten paar Jahre über einfach so weiterlaufen lässt.
Von diversen Personen bin ich gefragt worden, ob ich denn um R.s Willen nicht auf den Vater zugehen könne…Mal ganz abgesehen davon, dass ich mir das emotional gegenwärtig nicht zutraue…Welchen Sinn hat es, mit einem Menschen zu verhandeln, von dem man dermassen hintergangen worden ist? Ich habe 2019 auch nach dem Auffliegen der Lügen noch diverse Male versucht, die Angelegenheit unter Einbezug der beteiligten Erwachsenen gütlich zu regeln. Da war schon damals kein Interesse vorhanden.
Mit einem wirklichen Gegenüber kannst du diskutieren, du kannst Abmachungen treffen, du kannst Meinungsverschiedenheiten klären. Wenn da aber jemand ist, der sich dauernd wegduckt, dann besteht da einfach keinerlei Ebene.
In einer Entfremdungssituation – und das sehe ich jetzt auch in den beiden Fällen, die ich begleite -, ist derjenige, der das Kind bei sich hat, so krass am längeren Hebel. Er kann quasi tun und lassen, was er will, während der entfremdete Elternteil dauernd aufpassen muss, nicht irgendwann auszuticken. Das ist mir passiert – und dann bist du einfach komplett raus. Niemand hört dir dann noch zu.
Nein. Wenn hier nicht von Amtes wegen eine Lösungssuche unter uns Erwachsenen angeordnet wird, dann passiert in den kommenden Jahren gar nichts. Der Leidensdruck ist auf der Gegenseite ja überhaupt nicht vorhanden. Und ich habe meine Hoffnungen, irgendwann doch noch auf eine couragierte Fachperson zu treffen, welche zumindest bereit wäre, sich wenigstens einmal auf meine Argumente einzulassen, mittlerweile begraben. Das wäre aufwändig, und solange R. keine Probleme macht, ziehen alle die momentane Friedhofsruhe vor.
Deshalb habe ich die Angelegenheit jetzt an eine höhere Instanz übergeben. Meine Aufgabe wird in den nächsten Jahren darin bestehen, Wege zu finden, um trotz dieses Verlusts weiter- und überleben zu können. Ob R. eines Tages den Weg zu uns zurückfindet – nur Gott allein weiss es…Ich hoffe einfach, dass R.s Grosseltern es noch erleben werden!