Montag, den 26. April 2021
F: Wie sieht im Moment der Kontakt zu R. aus? Wo lebt er?
A: Momentan haben wir überhaupt keinen Kontakt miteinander, obschon mein Sohn nur knapp 20 Kilometer von mir entfernt bei seinem Vater und dessen neuer Frau lebt. Er hat dort auch noch eine kleine Halbschwester, die jetzt anderthalb Jahre alt sein müsste.
F: Wie oft darfst du ihn sehen? Wann habt ihr euch zuletzt getroffen?
A: Im Gerichtsurteil ist überhaupt nichts festgelegt worden, ausser halbjährlich durchzuführende Erinnerungskontakte. Das ist aber insofern schon wieder eine Farce, als dass ich mein Kind zum letzten Mal am 13. Oktober 2020 gesehen habe. Dieses Zusammentreffen war jedoch ein (unglücklicher?) Zufall. eigentlich waren wir lediglich zu einem Gespräch mit der Klassenlehrerin an seiner neuen Schule, und als wir danach dasSchulgebäude in Richtung Auto verliessen, sahen wir ihn. Hätte mein Vater nicht nach ihm gerufen, wäre er vor uns davongelaufen. Weil aber ein Kumpel dabei war und es offenbar wichtig ist, den Schein zu wahren, unterhielt er sich dann doch etwa drei Minuten mit seinem Grossvater und mir. Gleich am darauffolgenden Tag erhielten wir über den damals noch aktiven Kinderanwalt dann aber eine Meldung darüber, wie verstört R. auf Grund dieses zufälligen Zusammentreffens gewesen sei. Seitdem gab es keinerlei Kontakt mehr zwischen uns. Ich habe auch keine Telefonnummer, unter der ich R. einmal anrufen könnte. Er wünscht angeblich keinen Kontakt zu uns, und mit uns meine ich das gesamte Umfeld mütterlicherseits,die Grosseltern und sogar seine kleinen Cousins, die jetzt sieben und zehn Jahre alt sind, mit eingeschlossen.
eine Freundin hat ihm nach Ostern aber ein selbstgemachtes Nest mit einem Gruss zu Hause vorbeigebracht. Darüber hat er sich Laut ihren Aussagen gefreut, und meine Freundin und ihr Mann sind auch herzlich empfangen worden. Niemand weiss aber, was gesprochen wurde, nachdem sie und ihr Mann nach der Übergabe die Wohnung wieder verlassen haben.
Wenigstens ist das Verfahren mittlerweile beendet, und sowohl der Kinderanwalt als auch die Gegenanwältin sind Gott sei Dank raus. Damit fehlt dem Vater nun die Ansprechstelle, welche jeweils zuverlässig dafür gesorgt hat, dass Kontaktversuche unsererseits immer sogleich unterbunden worden sind.
Auch die Beistandschaft wurde mittlerweile auf mein Betreiben hin an die neu zuständige KESB übergeben. Vielleicht trägt das ja zur Aufweichung der vollkommen verhärteten Fronten, zwischen die R. da geraten ist, bei.
Montag, den 3. Mai 2021
F: Was löst es in dir aus, wenn du hörst, dass dein Kind verstört gewesen sei nach dem letzten Kontakt? Und weisst du, was genau unter verstört zu verstehen ist?
A: Das glaube ich sofort. Stell dir nur die perverse Situation vor: Du als neun, zehn oder elfjähriges Kind gerätst plötzlich in die Situation, wo du dich zwischen Mutter und Vater entscheiden sollst. Die Erwachsenen lassen dich mit dieser Entscheidung allein, und du bist noch nicht in der Lage, deine widerstreitenden Gefühle rational zu verstehen. Vielleicht macht man dir auch Angst, dass die Stiefmutter und die kleine Halbschwester aus dem Land müssen, wenn du dich falsch entscheidest. Und dann wird an deine Loyalität als heranwachsender Mann und an deine kulturell-religiöse Identität appelliert, und so weiter.
Daraufhin beleidigst du deine Mutter, attackierst sie körperlich und spuckst ihr sogar ins Gesicht. Am Abend aber möchtest du wieder ruhig neben ihr einschlafen, bist sogar froh, wenn sie dabei deine Hand hält…
Das geht über Monate. Daraufhin darfst du drei Wochen mit dem Papa in die Ferien. Dort wird dir alles Mögliche versprochen, auch, dass du jetzt schon gross seist und die Mama dir eigentlich gar nichts mehr zu sagen habe. Dass du selbst frei entscheiden könnest, was du möchtest. Du müssest dazu nur vorgeben, dass die Mama dich geschlagen und eingesperrt habe…Das tust du, als du aus den Ferien zurückkommst…Und darfst daraufhin zum Papa zurück, bis drei Wochen später der Gerichtstermin kommt.
Danach verfügt die Richterin, dass du die Mama jeden Sonntag für drei Stunden sehen sollst. Wahrscheinlich ist es dir schon am Abend vorher nicht mehr gahnz geheuer dabei, denn irgendwie freust du dich ja drauf, die Mama, deine Cousins oder auch deine Tante wiederzusehen. Zuvor wird dir aber eingeschärft, dass du immer dein Natel dabeihaben musst, damit der Papa dich retten kann, wenn jemand deinen Willen nicht respektiert. Das hat ja auch die Richterin so beschlossen.
Das kann nicht gut gehen. Irgend einmal kommt es zum Streit, weil die Mama darauf besteht, dass du dein Handy wegpackst in der kurzen Zeit, die ihr zusammen verbringt. Im Tram kommt es zu einem Wortwechsel. Du lässt die Mama vor allen Leuten wissen, dass „eure“ Anwältin hier gleich um die Ecke sei, und dass du ein Recht darauf habest, dein Natel dabei zu haben.
Die Mama versucht zu beschwichtigen, ohne aber von ihrem Standpunkt, das Natel bleibe erst einmal bei ihr, abzurücken. Irgend einmal mischt sich eine alte Schrulle ein und findet, sie müsse auch noch ihren Senf dazugeben. Die Mutter, deren Nerven ohnehin schon blank liegen, rastet aus und bringt sie zum Schweigen. Du als Kind siehst das mit an. Als ihr aussteigt, bricht die Mama in Tränen aus und sagt, du sollest gehen. Sie könne nicht mehr. Du weisst ja schliesslich nicht, dass die Mama erst drei Wochen zuvor wieder aus der Psychiatrie zurückgekommen ist, wo sie auf der Kriseninterventionsstation drei Wochen lang untergebracht war. Dass du nach den Ferien nicht mehr zurückgekommen bist, hat sie völlig aus der Bahn geworfen. Sie hat sich aber gehütet, dich mit diesem Wissen zusätzlich unter Druck zu setzen. Aber auch die Mama ist nur ein Mensch aus Fleisch und Blut…
Auch du brichst in Tränen aus und rufst natürlich den Papa an, der dir rettend beispringt; die Mama will dich davor schützen, nochmals einen solchen Kontrollverlust mitansehen zu müssen.
Daraufhin werden die Treffen ausgesetzt. Du siehst die Mama sechs Wochen lang nicht mehr; ab und zu telefoniert ihr noch miteinander. Eines Tages macht die Mama überraschend einen Schulbesuch. Du bist darauf nicht vorbereitet, ignorierst die Mama, so gut du kannst. Kaum ist die Schule aus, rufst du deinen Papa an in der Hoffnung auf Instruktionen. Das Angebot der Mama, dich noch bis zum Bahnhof zu begleiten, lehnst du ab, nachdem du aufgelegt hast. Die Mama respektiert das. Zu Hause drückt sie sich vor lauter Verzweiflung und Selbsthass eine brennende Zigarette auf dem Unterarm aus. Nein: Die Mama tendiert normalerweise NICHT zu selbstverletzendem Verhalten; das können die behandelnden Ärzte bestätigen.
Noch immer aber telefonierst du ab und zu mit der Mama. Die macht sich Sorgen darüber, dass du nach der Schule, wenn es schon fast dunkel ist, allein durch den Berner Bahnof läufst. Das will sie dir aber nicht sagen, weil sie dich nicht verunsichern will. Stattdessen erinnert ihr euch gemeinsam an Geschichten von früher, an einen Vorfall, wo du und die Mama einander verloren haben. Der kleine R. wusste sich aber zu helfen und sprach einfach einen patrouillierenden Polizisten an. So hast du die Mama wieder gefunden. Noch mehr Geschichten fallen uns ein. Schliesslich lacht ihr herzlich miteinander, wohl etwas zu herzlich, denn ab diesem Telefonat Ende November 2019 kann deine Mama dich telefonisch nicht mehr erreichen.
Es finden noch genau vier Begegnungen statt: Eine beim Elterngespräch in der Schule (02.12.2019), eine beim Gutachter (02.03.2020), eine indirekte bei einer Infoveranstaltung des Fussballclubs (ca. 15.03.2020) und dann eine zufällige am 13.10.2020 nach einem Elterngespräch in deiner neuen Schule.
Ist es da verwunderlich, wenn ein Kind nach derlei Treffen verstört ist? Verstörung und Angst kann ganz mannigfaltige Ursachen haben, doch deren Wurzeln aufzuarbeiten – dafür erklären sichalle für nicht zuständig. Auch dafür, dass die Erwachsenen, die ja eigentlich ein Problem miteinander haben, das du nun aber ausbaden musst, gezwungen werden, sich miteinander an einen Tisch zu setzen…Dafür will niemand zuständig sein. Das ist zu mühsam. Die Mama hat zwar schon mehrere Versuche diesbezüglich unternommen, aber von der Gegenseite her erfolgt keine Reaktion. Die hat ja schliesslich, was sie will: Dich!
So lässt die Meute der sogenannten Fachpersonen das betroffene Kind lieber allein. Damit aber nicht genug: Dadurch, dass sie angeblich seinen „Willen“ respektiert, schiebt die Gilde der sog. Fachpersonen dem betroffenen Kind auch noch die volle Verantwortung für die Misere unter! Darüber, wie das betroffene Kind diese Zeit später in seiner Identitätsfindung unterbringt, macht sich anscheinend jetzt niemand Gedanken.
Etwas Hinterhältigeres und Feigeres vermag ich mir kaum auszumalen…
F: Hat dir dein Sohn direkt gesagt, dass er dich nicht mehr sehen will, oder kriegst du das über andere mit?
A: Er hat mir das nie direkt gesagt. Das sind die sog. Fachpersonen, welche diese Meinung in ihren Berichten kolportieren, ohne das Zustandekommen dieses „Willens“ allerdings auch nur im geringsten zu hinterfragen. Das wäre durchaus aufwändig. Da ist es doch um Einiges bequemer, die Mutter als labil, unkooperativ und aggressiv zu labeln.
F: Was macht es mit dir als Mutter, dass dein Kind keinen Kontakt möchte zu dir?
A: Dieses Kind hatte gar keine andere Möglichkeit, als sich so aus dem Loyalitätskonflikt, in den der Vater es hineingezwungen hat, zu befreien. Die sog. Fachpersonen weigern sich bis Heute hartnäckig, diesen Konflikt auflösen zu helfen, indem sie uns Erwachsene in die Pflicht nehmen würden – und zwar uns alle!
Das Gericht hat die Situation mit seinen superprovisorisch verfügten Auslandferien im Sommer 2019 vollends eskaliert. Anstatt die Eltern gemeinsam an einen Tisch zu beordern, damit sie zusammen eine Lösung im Sinne des Kindswohls suchen, zwingt man die Mutter, dem Vater den Pass und das Kind herauszugeben – unter Strafandrohung.
Danach war die Sache gelaufen. R. fällte selbst eine „Entscheidung“, um endlich einigermassen seine Ruhe zu haben. Dem Vater hat er damit gegeben, was dieser wollte. Nun ist er mit ihm zufrieden. Die Mama hat R. immer als die Stärkere erlebt; instinktiv wusste er wohl, dass sie die Ressourcen haben würde, um seine „Entscheidung“ zu überleben.
Kinder in R.s Alter haben wissenschaftlich gesehen eine Tendenz, sich zu verbünden, und R. verfügte schon immer über einen extrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. In seiner Wahrnehmung hat er sich für seinen Papa entschieden, weil der immer schon das Opfer war und sich nicht gegen die böse Welt wehren konnte.
Ob diese „Entscheidung“ tatsächlich zum Wohle R.s war, ob sie ihm Beispielsweise erlauben wird, sein Potential voll auszuschöpfen – das alles ist für mich höchst fraglich. R. ist genauso ein Opfer der Kinderzuteilungsindustrie wie meine gesamte Familie. Während wir Erwachsenen aber bereits Coping-Strategien für herausfordernde Situationen entwickeln konnten – und mich dieser Zustand trotzdem immer wieder an die Grenzen des Erträglichen führt! -, wird R. mit dieser Bürde, die ihm da auferlegt worden ist, noch lange Jahre kämpfen müssen. Von einem Tag zum Anderen die Hälfte seiner Herkunft verleugnen zu müssen; die Mama, die Grosseltern, die Tante und den Onkel, ja sogar die kleinen Cousins ablehnen zu müssen; gewisse Wahrnehmungen in sich abtöten zu müssen, weil sie nicht mehr sein dürfen… Und für all das von den Erwachsenen mit ihrem Hinweis auf den „Kindeswillen“ dann auch noch die Verantwortung aufgedrückt zu bekommen – mit einem solchen Rucksack muss R. nun erwachsen werden und seine Identität finden! Nimm dir mal fünf Minuten Zeit, um dich in dieses Kind hineinzuversetzen!
R. tut mir in all dem einfach nur unendlich leid! Ich könnte jedes Mal weinen, wenn ich mir ausmale, wie unsagbar einsam sich mein Sohn in ruhigen Augenblicken – zum Beispiel vor dem Einschlafen – fühlen muss! Er trägt ganz bestimmt keine Schuld an dem, was hier passiert ist!
Donnerstag, den 13. Mai 2021
F: Ich frage mich, wie du mit dieser Situation lebst. Wie hältst du das aus?
A: Das ist tatsächlich eine gute Frage, womit wir Beiden schon eine ganze Sendung füllen könnten.
Kurz zusammengefasst überlebe ich dies nur, wenn ich meine Gefühle ein Stück weit abspalte. Das ist extrem ungesund, bin ich doch auf Grund dutzender Operationen in der frühen Kindheit bereits mehrfach traumatisiert. Doch der Verlust des einzigen Kindes unter derartigen Umständen löst solch existentielle Gefühlstsunamis von Trauer, Ohnmacht und Wut aus, dass man – lässt man das wirklich zu -, enorm destruktive Fantasien entwickelt.
Meist richten sie sich gegen mich selbst; in den vergangenen beiden Jahren habe ich sehr oft über Suizid nachgedacht. Nur meine Feigheit und das Verantwortungsbewusstsein meinem Mann, meinen Eltern, meiner Mitbewohnerin und meinem Hund gegenüber haben mich davon abgehalten, diesem unsäglichen Schmerz endgültig ein Ende zu bereiten.
Zuweilen richten sich die Gedanken aber auch gegen die an diesem Unrecht Beteiligten. Das ist enorm belastend, denn diese Gedanken kann ich lediglich mit ganz wenigen Personen teilen. Meiner Ansicht nach ist es aber überlebenswichtig, sie zu thematisieren, denn ansonsten werden die Impulse noch selbstzerstörerischer. Wenn mich die Wut überkommt, dann hilft nur laufen, laufen und nochmals laufen, bis ich todmüde bin und die Wut verraucht ist.
Den Glauben an einen funktionierenden Rechtsstaat habe ich verloren. In der Hoffnung um Unterstützung habe ich mich 2015 an die KESB gewandt; dies zum Wohl meines Sohnes und trotz starker Vorbehalte im Wissen um meine eigene Verwundbarkeit. Die von dieser KESB eingesetzte Beiständin hat vier Jahre lang meine Argumente ignoriert, um 2019 dann mit ihrem Bericht dafür zu sorgen, dass ich mein einziges Kind verloren habe.
Aus meiner Arbeit im Asylbereich wusste ich bereits, dass Rechtstaatlichkeit zwar ein von den Bürokraten viel bemühter Begriff ist, den komplexen Realitäten des Lebens aber nur selten Rechnung tragen kann. Auch unsere Behörden sind nicht frei von Vorurteilen, und Aufwand ist etwas, was dort nur ungern betrieben wird. Dass jedoch mit dem Schicksal von Kindern ähnlich schludrig umgegangen wird wie mit dem von Asylsuchenden – das hat mich dann doch noch einmal sehr schockiert.
F: Gibt es etwas, das dir in deiner Situation hilft?
A: Es gibt da ein paar Dinge. Natürlich kommt mir meine langjährige psychotherapeutische Erfahrung zugute. Hinzu kommen meine intellektuellen Fähigkeiten und mein breites Allgemeinwissen. Damit kann ich das, was hier passiert, zumindest rational einordnen. Ich habe das Glück, therapeutisch zurzeit sehr gut eingebettet zu sein; sollte ich zusammenbrechen, dann weiss ich auch, in welcher Klinik ich hochprofessionelle Hilfe erhalten werde.
Mit meinem Mann, meiner Mitbewohnerin und meinem Vater habe ich drei enge Bezugspersonen um mich herum, die mir im Alltag die notwendige Stabilität geben. Ansonsten lebe ich doch recht zurückgezogen, benötige viel Zeit allein, in welcher ich mich bewegen, nachdenken und intellektuell ablenken kann. Täglich gehe ich mehrere Stunden mit meinem Hund in der Natur spazieren; der Hund bekommt nun all die Liebe und Aufmerksamkeit, welche ich meinem Sohn nicht mehr geben kann.
Stabilisierend wirkt auch meine Arbeit; dabei habe ich Kontakt zu Menschen, die oft noch viel grösseres Unrecht aushalten müssen oder mussten als ich. Diese Relativierung hilft, ohne dass ich dabei mein eigenes Leid negieren müsste. Wenn ich diesen Menschen mit meinem Wissen, meiner Präsenz und auch mit meiner durch das Geschehene vielleicht noch gesteigerten Empathie zur Seite stehen kann, dann empfinde ich mein Dasein nicht länger als nutzlos. Bei jedem solchen Einsatz denke ich an meinen Sohn und widme ihn ihm ein Stück weit. Momentan begleite ich interessanterweise gleich zwei Väter, die von ihren Kindern getrennt wurden. Diejse Einsätze sind aufwändig, aber in einem Fall haben wir nach zehn Monaten wieder wöchentliche Treffen zwischen Vater und Kindern erreichen können.
Meine Klient*innen haben mich zudem in meinem Glauben bestärkt. Es gibt Situationen im Leben, die du nur überlebst, wenn du diesen unerschütterlichen Glauben an eine finale Gerechtigkeit in dir trägst. Wer hier auf der Erde kein Recht erfährt, dem wird es zumindest am Jüngsten Tag zuteil werden. Nur so konnte und kann ich meine Arbeit überhaupt machen, und diese Ressource hilft mir nun auch, den Verlust meines Sohnes zu überleben. Jeder wird für das, was er oder sie hier auf der Erde anrichtet oder wider besseres Wissen unterlässt, eines Tages vor dem Schöpfer geradestehen müssen. Seinen Fragen wird niemand ausweichen können. Vor diesem Hintergrund arbeite ich, und so versuche ich auch zu leben.
Damit – und mit meinem Blog, auf dem ich meinem Sohn alles hinterlassen habe, was er zu dieser Sache wissen muss -, kann ich einigermassen getröstet leben. Selbst wenn ich gehen muss, bevor ich meinen Sohn wiedersehe, wird er auf diesem Blog alles finden, was er zur Bildung einer gesunden Identität braucht; er wird wissen, dass seine Mutter ihn immer bedingungslos und von ganzem Herzen geliebt hat. Er wird verstehen, dass sie jeden einzelnen dieser Tage seit der Trennung an ihn gedacht hat, und er wird sehen, dass er an dem, was geschehen ist, keinerlei Schuld trägt.