27.02.2021 (früher Abend)

Es passiert mir immer wieder, dass ich als Rassistin beschimpft werde. Mal kommt der Vorwurf von Anhängern des eritreischen Diktators, die der Meinung sind, ich als Europäerin hätte mich nicht in ihre Interna einzumischen, dann bezichtigen mich die Anhänger des äthiopischen Premiers Abiy des Paternalismus, weil ich mich von Beginn an skeptisch zur „Law & order-Operation“ der äthiopischen Streitkräfte im Tigraygebiet geäussert habe. Lustigerweise beschuldigen mich beide Seiten der Spionage für die Tigray People’s Liberation Front (TPLF) – selbstverständlich gegen entsprechende Honorarzahlungen.

Solche Unterstellungen gehören zum Leben einer Aktivistin dazu, und in der Regel quittiere ich derlei Hassposts mit einem müden Lächeln.

Unlängst aber fühlten sich gleich mehrere, scheinbar ganz liberale Menschen dazu berufen, mich als „aus dem Emmental kommende SVP-Anhängerin“ zu betiteln. Weshalb? Weil ich mich – der gegenwärtigen linken Doktrin zum Trotz – erfrecht hatte, das Verbot von Burkas und Niqabs zu befürworten. Lustigerweise blieben die Kommentare ab dem Zeitpunkt aus, als ich ihnen eröffnete, dreizehn Jahre lang eine Djellal gewesen zu sein und dabei mein Kind verloren zu haben. Allem Anschein nach hat diese Offenbarung die zartbesaiteten Idealisten grad ein bisschen überfordert.

Ja, ihr dürft das ruhig wissen. Ich habe diese rassistische SVP-Initiative angenommen, und mein Stimmzettel ist bereits per Post abgeschickt. Euer Versuch, mich zur Vernunft zu bringen, kommt also zu spät. Schön blöd!

Aber im Ernst. Ich würde lügen, wenn ich beim Setzen des Kreuzchens nicht ein ganz klein wenig Genugtuung empfunden hätte, ihnen damit eine ausgewischt zu haben. Ich bin schliesslich nicht frei von menschlichen Abgründen.

Doch die – und damit meine ich R.s Vater und seine Entourrage – waren nicht einmal das Hauptmotiv. Und die SVP mit ihren unreflektierten Schreihälsen verachte ich fast genauso wie diese faschistoiden Muslim-Fundamentalisten. Eigentlich denke ich, dass – verbrächte man sie mal für eine Woche gemeinsam auf eine einsame Insel -, die sich im Grunde ganz gut verstehen würden. Das Frauenbild passt, die Verachtung all dessen, was nicht ihrem Weltbild entspricht, ebenso.

Was mich bei der Diskussion um die Burka-Initiative jedoch wirklich in Rage bringt ist diese arrogante Ignoranz der – wie ich sie nenne – Wohlstandssozis. IN Bern leben sie in ihren überteuerten Wohnungen mit KiTa und Yogakursen gleich um die Ecke; sie ernähren sich aus dem Reformhaus oder im Tibiz, unterstützen hippe Fair-trade-Labels und lesen den Spiegel odr „Psychologie heute“. Sie sind immer freundlich, haben transkulturelle und interreligiöse Kompetenz und das Wichtigste: Sie sind immer genderbewusst und politisch korrekt.

Alles und vor allem Alle, die aus fremden Ländern kommen, sind für sie per se gut, weil man ja sonst Gefahr läuft, sich des Kolonialismusvorwurfs auszusetzen. Mit Männern, die zu Hause ihre Frauen schlagen, gehen sie Annehmend und akzeptierend um, weil das ja kulturell begründet ist, und Zwangsheiraten, Genitalbeschneidungen oder Ehrenmorde erwähnen sie lieber gar nicht, denn das sind Tabuthemen, zu denen wir uns nicht äussern sollten.

Während sie Trumps pseudo-evangelikales Gehabe peinlich finden, sind sie fasziniert von jeder Art von Religion und Spiritismus, ganz egal, ob in diesen Heilsbotschaften Abtreibungen, ausserehlicher Geschlechtsverkehr oder gleichberechtigte Rollenbilder Platz haben oder nicht.

Für diese Wohlstands-Gutmenschen sind Burka und Niqab ein Ausdruck der Freiheit, weil sie im Sommer ja auch im Bikini und mit dem Batik-Badetuch aus dem Drittwelt-Laden (oh sorry! Das ist jetzt der eine-Welt-Laden!) an der Aare entlanglaufen dürfen.

Muslim*innen, die sich gegen die Burka und den Niqab äussern, weil sie vielleicht aus der Heimat damit Erfahrung haben, haben sich der konservativen NZZ angebiedert und verleugnen wahrscheinlich aus einem Minderheitskomplex heraus ihre religiöse Identität. Schweizer, die ebenfalls keine Fans dieser mobilen Zelte sind, werden reflexartig der SVP zugeordnet, oder sie sind eben anderswie psychisch verwirrt.

Ja, ihr lieben Wohlstandssozis: Wegen euch habe ich die Burka-Initiative angenommen. Wegen eurer ideologisch verblendeten Ignoranz und eurem umgekehrten Rassismus.

Weil ihr es selbstverständlich findet, dass ihr allein in ein Café gehen und dort eine Zigarette rauchen dürft, während viele Mädchen und Frauen für das gleiche Verhalten zu Hause oder auf dem Pausenplatz als Huren beschimpft werden.

Weil ihr noch im Erwachsenenalter auf Bäume klettern und euer Haar im Wind wehen lassen könnt, während dies schon die Kleidung vieler Mädchen ab einem gewissen Alter nicht mehr zulässt.

Kurz: Weil ihr Wasser predigt und Wein trinkt, indem ihr von Freiheit und Menschenrechten faselt, während ihr verkennt, dass diese in der Auslegung des Islam, welche die Ganzkörperverschleierung vorsieht, absolut keinen Raum haben.

Aber mou, klar: Burka, Niqab und das faschistoide Gedankengut dahinter muss in unserer liberalen Schweiz natürlich seinen Platz haben! Schliesslich braucht die SVP auch noch in zehn Jahren ihre Feindbilder und dankt es euch, wenn ihr diese so liebevoll hätschelt.

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