16.02.2021
Nein! Wenn ich das hier nicht überleben sollte, werdet ihr nicht den Jungen dafür verantwortlich machen. Ein 10jähriges Kind dermassen alleinzulassen, sodass es sich für oder gegen einen Elternteil entscheiden muss, ist ganz und gar eure Verantwortung, ihr sogenannten Fachpersonen. Ihr wart die Erwachsenen, aber allesamt wart ihr entweder zu faul oder zu feige, etwas zu entscheiden. So, dass R. das schliesslich für euch übernehmen musste.
Wie sehr ich euch dafür verachte! Und ich weiss genau, wie ihr euch verhalten werdet, wenn R. euch eines Tages aufsuchen und nachfragen wird: „Du hast das doch der Gerichtspräsidentin und dem Gutachter so gesagt…“
Als ob du eine Wahl gehabt hättest, R.. Deinen Vater musstest du ja schon vor dieser bösen Welt beschützen, als du noch ein kleines Kind war. Ich erinnere mich noch gut, als wir hier in unsere neue Wohnung eingezogen sind. Da warst du gerade mal knapp sechs Jahre alt. Auf einmal fand ich meine Handtasche, die sonst immer an der Innenseite der Wohnungstür hing, offen am Boden liegen.
„Was ist denn mit der Handtasche passiert?“ habe ich dich gefragt. „Und wieso ist der Geldbeutel offen?“
„Weisst du, Mama. Ich habe Geld aus deinem Portemonnaie rausgenommen“, hast du, ganz der ehrliche kleine R., geantwortet.
„Aber du kannst doch nicht einfach Geld aus Mamas Portemonnaie nehmen“, sagte ich, und ich fragte: „Wofür brauchst du denn das Geld?“
„Ich muss es dem Papa bringen“, hast du geantwortet. „Er hat fast keins mehr.“
Ich habe die Sachen vom Boden aufgeklaubt und dich dann in den Arm genommen. „Der Papa bekommt doch Geld“, versuchte ich dich zu beruhigen. „Du bist noch zzu klein, um beim Geldverdienen zu helfen.“
Diese Episode kannten sowohl deine Beiständin als auch der Gutachter. Aber es scheint okay zu sein, wenn Väter ihren 6jährigen Söhnen so lange vorjammern, wie arm sie sind, bis sie die Geldbeutel ihrer bösen mütter, die zwar fast die gesamten Kosten für KITA, Kleidung, Essen und Spielzeug allein stemmen, durchsuchen müssen.
Als es nun darum gegangen ist, die geplante Ehe des Vaters vor der Mutter zu verheimlichen hast du dich lieber eingekotet vor lauter Stress, anstatt dem Vater gegenüber illoyal zu werden. Unglaublich, du grosser kleiner Mann! Kein Wort hast du gesagt, nur zwei Mal hast du dich ganz wenig verplappert! Aber gestresst hat es dich. Du begannst, in kleinkindliche Verhaltensmuster zurückzufallen. In der Schule hast du dich grundlos geprügelt, sodass es im Winter 2018 zu einem Klassenwechsel kam. Auch ich habe in dieser Zeit versagt, R.. Habe nach deinem Wutausbruch in der Badi nicht näher nachgefragt, wie das mit der neuen Frau des Papas denn sei. Habe gedacht, er würde selbst etwas erzählen, wenns denn wirklich Ernst gilt. Aber dein Vater war und bleibt ein elender Feigling!
Während du angehalten warst, der Mama, die viel Wert auf Ehrlichkeit legt – was du wusstest -, nichts zu erzählen, reiste er im Dezember nochmals nach Algerien, um das Fest abzuhalten. Erst beim Standortgespräch bei der Beiständin rückte er dann nach mehrmaliger Nachfrage raus. Nein! Nicht beim ersten Mal! Ich musste doch echt zwei Mal nachhaken, bis er auf einmal verkündete, die neue Frau werde schon nächste Woche einreisen und R. dann zu 50% betreuen.
Wärt ihr da nicht auch ausgerastet? Da rennt man als Mutter ein halbes Jahr zu Elterngesprächen, weil sich das Kind in der Schule prügelt, arrangiert dann mit den Lehrern und dem Sozialarbeiter einen Klassenwechsel, nur um herauszufinden, dass das Kind vom eigenen Vater ein halbes Jahr lang als Geheimnisträger missbraucht worden ist!
Wisst ihr, wie der Kommentar der Beiständin, Frau Chaudhary, auf meine Empörung lautete? „Aer Frau Djellal. Das mussten Sie doch wissen, dass der Herr Djellal eines Tages wieder heiraten wird.“
The fuck, ja! Aber weshalb zwingt er das Kind ein halbes Jahr lang, darüber zu schweigen? Und überhaupt? Weshalb kann man das nicht einfach offen erzählen, da wir ja schon über acht Jahre getrennt sind?
Was im Kopf dieses Irren damals abgegangen ist – darüber kann ich Heute nur spekulieren. Wahrscheinlich hat es mit Geld zu tun – oder damit, dass der „Import“ der neuen Schönen nicht ganz sauber abgelaufen ist. Aber weshalb über das gemeinsame Kind?
Weil es für ihn vielleicht schon immer klar war, dass der Junge ihm gehören wird, wenn er gross genug ist und eine neue Frau da ist, die seine Kleider wäscht und sein Essen kocht?